Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi | Text von Arrigo Boito
Zu Beginn entsteigt Otello dem tobenden Meer als siegreicher Kriegsheimkehrer, auf den Desdemona, die schönste Frau des Landes, und die jubelnde Menge wartet – kurz: als Held. Ehrfürchtig umringen ihn seine Mitstreiter, doch Otello leistet sich einen Fehler, der ihm zum Verhängnis werden soll: Er befördert den Falschen. Eng an Shakespeares Vorlage entlang skizzieren Verdi und sein Librettist Arrigo Boito daraufhin die schrittweise Infragestellung des Helden bis zur völligen Vernichtung eines Mannes, der alles erreicht hat, was er zu träumen wagte und doch auf unsicherem Boden zu stehen scheint. Fremd in Zypern und unter ständigem Legitimationszwang ob der eigenen Marginalisierung, fehlen Otello die Ankerpunkte und so gerät er ausgerechnet an Jago, der leichtes Spiel mit ihm hat. Jago, der von Otello nicht befördert wurde, beginnt mit dem Vorsatz, Otello gesellschaftlich zu ruinieren, Zweifel in ihm zu säen. Und er schürt nicht nur Eifersucht bei Otello, sondern spinnt ein ganzes gesellschaftliches Intrigengeflecht, in dem auch die anderen zu seinen Spielbällen werden. So sieht Otello in einem verlorenen Taschentuch bald den Beweis für Desdemonas Untreue und in seinen früheren Verbündeten gefährliche Nebenbuhler. Jago treibt das Spiel so weit, bis Otello in seiner Manie schließlich jeglichen Realitätsbezug verliert. Das Stück schließt mit dem Frauenmord an Desdemona und Otellos Selbstmord, vielleicht als ein letzter verzweifelter Versuch der Selbstheroisierung. Doch das Ende des Helden ist besiegelt.
Verdis vorletzte Oper mit großem, romantischem Orchesterklang, der direkter, intensiver und spannungsgeladener kaum sein könnte, lässt das Publikum keine Sekunde los. Inszeniert wird dieser Opernthriller von Regisseurin Anika Rutkofsky, die bereits überaus erfolgreich u. a. an der Staatsoper Stuttgart inszenierte und 2021 den Ring Award gewann.